Bei Gelegenheit

London 1996

eine Studienfahrt des Physik-LK

(verfasst für den Jahresbericht des Gymnasiums Melle)

Auch für naturwissenschaftlich ausgerichtete Schüler/innen ist eine Auslandsfahrt sinnvoll. Sie erfahren, dass hinter den Namen, die in die physikalische Nomenklatur eingegangen sind, persönliche Schicksale, historische Kontexte, wissenschaftliche Auseinandersetzungen, das Ringen um Erkenntnis, Irrtum und Erfolg stehen. Sie sehen beim Blick über die Grenzen, wie groß der Anteil aller Nationen am Entstehen des naturwissenschaftlichen Weltbildes ist. Namen wie Hooke und Newton, Watt und Stevenson, Faraday und Maxwell, Babbage und Turing stehen stellvertretend für viele Forscher des englischen Sprachraums, ohne die unsere heutigen Kenntnisse nicht denkbar sind.

Und darüber hinaus der fachgebundene Einseitigkeit zu entgehen, allgemeine Neugier zu wecken, seinen Blick zu erweitern, gibt es kaum eine bessere Gelegenheit als solch eine Auslandfahrt, bei der fachliche Information, kulturelle Erlebnisse und die Erfahrung an einem kleinen Ausschnitt einer anderen Alltagswelt sich, wenn es denn gelingt, aufs glücklichste ergänzen.

Die Fahrt mit 25 Teilnehmern startete planmäßig abends am 17. August. Die besten Plätze im Bus waren leider schon von einer Delmenhorster Gruppe okkupiert. V. H. sorgte aus Anlaß seines Geburtstages für einen stilvollen Fahrtbeginn. Um zwei Uhr morgens waren wir in Ostende, um halb vier begann das Einschiffen, die Zwischenzeit überbrückten wir mit Doppelkopf.

Busfahrer Hubert heizte wie der Henker durch den morgentlich-englischen Verkehr und lieferte uns gegen elf Uhr an unserem Hotel ab. Alle bedurften zunächst der Erquickung. Nur einige Unentwegte begaben sich gleich auf den Weg zur Tower-Bridge, deren Upper Gateway bei unserer Ankunft leider gerade geschlossen wurde.

Der nächste Morgen begann früh um neun mit einer Stadtrundfahrt. Der Nachmittag führte uns in die London Dungeon. Die Entwicklung von Folter und Strafe, hollywoodlike aufbereitet, und die Schauermär von Jack the Ripper werden kaum jemandem Alpträume gebracht haben.

Der Dienstag war ganz für das Science Museum reserviert. Ich hoffe immer noch, dass es den meisten irgend etwas Interessantes zeigen konnte. Es fällt zwar gegen das Deutsche Museum in München etwas ab, aber die Vielfalt und Breite seiner Präsentationen können jedem etwas bieten. Besonders vielfältig, englischer Historie sei Dank, waren die Abteilungen für Dampfmaschinen, Schiffe und Flugzeuge sortiert. Um sechs, nach getaner Arbeit, begab sich eine große Gruppe in das Queens Arms, um ein richtiges Pub mit einheimischem Publikum zu erleben.

Der Mittwochmorgen gab allen Gelegenheit, das mitgebrachte englische Geld zu investieren. Davon profitierten verschiedene Kleidermärkte und Einkaufszentren. Am Nachmittag, als das Geld alle war, kam wieder die Kultur zu ihrem Recht, diesmal in der Tate Gallery. Hinlaufen allerdings wollte denn doch keiner, obwohl: Turner allein ist schon eine Reise wert.

Die Abende klärten so wichtige Fragen wie die nach dem Unterschied von Lager, Bitter und Ale. Um den Morgen auf penetrante Weise frisch beginnen zu können, begab sich der Aufsichtführende meist früh zu Bett, während die widerstandsfähigeren Teilnehmer/innen Pubs, Clubs und Discos erkundeten.

Am Donnerstag mußten wir morgens das Hotel verlassen und unser Gepäck im Bus verstauen. Anschließend gab ein Besuch im London Transport Museum Gelegenheit, die Entwicklung der typischen Roadmaster-Busse und die technischen Probleme beim U-Bahn-Bau zu verfolgen. Ein abschließender Besuch in Faradays Laboratorium wurde einstimmig abgelehnt. Am Abend ging's Richtung Heimat. Schlafen war im Bus und auf der Fähre nur in sehr eingeschränktem Maße möglich. Am Freitag um elf hatte uns, übernächtigt, Melle wieder.

Resümee: Der Bus war – nicht nur zum Schlafen – eine beengte Angelegenheit. Das Hotel, phantastisch gelegen direkt am Piccadilly Circus, hielt in den oberen Etagen nicht alles, was der elegante Empfangsbereich versprach. Die Fahrtteilnehmer/innen waren sehr kooperativ und entzogen sich dem Pflichtprogramm, wenn überhaupt, ausgesprochen diskret. Alles in allem: zur Nachahmung empfohlen.

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